Helmut Krethe Private Homepage

Seit längerer Zeit wird öffentlich diskutiert, ob die Demokratie angesichts des Erstarkens der AfD in Deutschland gefährdet ist.

Ich schicke voraus, dass ich in der Vergangenheit niemals die AfD gewählt habe und dies auch in Zukunft nicht vorhabe.

Die Ausgangsfrage beantworte ich mit einem klaren „Nein“. Die Demokratie der Bundesrepublik Deutschland ist nicht gefährdet. Sie ist und bleibt äußerst stabil.

Diesen Befund begründe ich wie folgt:

I.

Zunächst ist der Umstand zu klären, was das Demokratieprinzip ausmacht.

Das Demokratieprinzip ist in Art. 20 Abs 1, Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) fundamentalisiert.

Ich nutze dieses Wort absichtlich, denn Art. 20 GG stellt die Staatsfundamentalnorm dar. Neben dem Rechtsstaatsprinzip, dem republikanischen Prinzip, der Gewaltenteilung, der Gesetzesbindung aller staatlichen Organe, der Volkssouveränität ist das Demokratieprinzip ein weiteres wichtiges Standbein der Staatsfundamentalnorm.

Die Kernelemente des Demokratieprinzips sind:

-Wahlen nach demokratischen Grundsätzen (die Wahlrechtsgrundsätze der allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen, geheimen Wahl und der Periodizität der Wahl sind eine unmittelbare Ausprägung des Demokratieprinzips;

-demokratische Legitimation der Staatsorgane und Amtsträger (Prinzip der Volkssouveränität);

-Mehrheitsprinzip und Minderheitenschutz (das Volk ist Träger der Staatsgewalt. Dies wird durch Wahlen zum Ausdruck gebracht. Ebenso gehört hierzu die Gewährleistung einer Opposition);

-Willensbildung von unten nach oben (es gilt eine amtliche Neutralitätspflicht aller staatlichen Organe, also eine staatsfreie Meinungsbildung);

-Wesentlichkeitstheorie und Parlamentsvorbehalt (über wesentliche Angelegenheiten des Gemeinwohls entscheidet ausschließlich das unmittelbar vom Volk gewählte Parlament. Wenn das Grundgesetz wesentliche Entscheidungen ausdrücklich einem anderen Staatsorgan zuweist, greift der Parlamentsvorbehalt nicht. In diesen Fällen gilt die spezielle Kompetenzzuweisung des Grundgesetzes. Der Parlamentsvorbehalt findet sich auch in Art. 80 GG wieder. Danach können die Bundesregierung oder einzelne Minister durch Gesetz ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen. Dabei müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetz bestimmt werden.

 

II.

Es existieren im Grundgesetz Sicherungssysteme, die das Demokratieprinzip vor Verfassungsfeinden schützen:

1. In Artikel 79 Abs. 3 GG ist normiert, dass eine Änderung der in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze unzulässig ist. Das bedeutet, dass Bundestag und Bundesrat diese niedergelegten Grundsätze des Staatsfundaments nicht ändern können. Dazu gehören z.B. die Menschenwürdegarantie in Art. 1 GG und auch das Demokratieprinzip in Art. 20 Abs 1, Abs. 2 Satz 1 GG. Diese Norm in Art. 79 Abs. 3 GG wird auch als Ewigkeitsgarantie bezeichnet.

2. Das Verfassungsorgan Bundesverfassungsgericht (Art. 93 GG) gilt als Hüter der Verfassung. Das Bundesverfassungsgericht wacht über die Einhaltung des Grundgesetzes. Es bestimmt über Zuständigkeiten und Grenzen für das Handeln staatlicher Organe und wird in Verfassungsbeschwerden und anderen Klagearten stets das Grundgesetz im Blick haben.

3. Das in Art. 20 Abs. 4 GG normierte Widerstandsrecht bezeichnet das Recht, wenn die Demokratie und der Rechtsstaat in Deutschland bedroht sind und Abhilfe, auch gerichtliche Abhilfe, nicht möglich ist, ein Einschreiten Jedermanns.

 

III.

Auch außerhalb des Grundgesetzes existiert ein Sicherungssystem, und zwar im Europäischen Recht.

Die Europäische Union ist eine Staatengemeinschaft, die auf rechtsstaatlichen Grundsätzen beruht. Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind gem. Art. 2 des EU-Vertrages (EUV) die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte.

Sollte aus einem EU-Mitgliedsstaat eine Gefahr für Teile dieser Werte bestehen, kann der Europäische Rat gem. Art. 7 EUV nach Zustimmung des Europaparlaments feststellen, dass eine solche Gefahr eine schwerwiegende Verletzung der in Art. 2 EUV genannten Werte bedeutet. Die Konsequenzen für diesen Mitgliedsstaat können sein, dass bestimmte Rechte dieses Mitglieds ausgesetzt werden wie z.B. das Stimmrecht im Europaparlament oder die Suspendierung von finanziellen EU-Zuwendungen.

 

Es bleibt festzuhalten, dass das Demokratieprinzip aufgrund der vorgenannten Sicherungssysteme im Grundgesetz und im EU-Recht so stark ist und durch keine parlamentarischen Mehrheiten zu Fall gebracht werden kann. Es besteht demnach kein irgendein gearteter Grund für eine Angstmacherei.

 

Helmut Krethe    22.7.2024